ChatGPT in der Suchmaschinen-Optimierung
Anfang Dezember erhielt ich die E-Mail eines Kollegen. „Schau dir das mal an.“ Solche Mails bekomme ich öfter. Irgendwas Spannendes gibt es schließlich immer. Der Link führte mich zu einem Artikel über ChatGPT, der sich sehr nüchtern mit den Möglichkeiten und Grenzen des Tools auseinandersetze. Der Kollege war früh dran, der Hype hatte das Internet noch nicht erfasst. Geschichten über kreative Anwendungen in der Programmierung von Computerspielen oder über clevere Möglichkeiten, mit dem Tool Geld zu verdienen, gab es noch nicht.
Ich registrierte mich für einen Testaccount und spielte ein wenig herum. Schon nach den ersten Versuchen war klar: in diesem Tool liegt ein unglaubliches Potenzial, auch und gerade im Bereich SEO. Denn der Computer versteht mich jetzt.
Was ist ChatGPT: Möglichkeiten und Grenzen
Um das Potenzial in der Technologie zu verstehen, ist es wichtig, ihre Grenzen zu kennen. Denn die hat das Tool selbstverständlich auch, trotz des Hypes.
ChatGPT ist ein neuronales Netzwerk. Das ist die Technologie, die oft als künstliche Intelligenz bezeichnet wird. Ein neuronales Netzwerk sammelt Informationen und verknüpft sie miteinander. Dies geschieht über ein System, das dem menschlichen Lernprozess ähnelt.
Voraussetzung ist eine Grundstruktur, die es dem Netzwerk ermöglicht, für jede Information einen eigenen Knoten zu bilden. Jedem Knoten lassen sich Verbindungen zu anderen Knoten zuordnen. Diese Verbindungen erhalten zudem einen Wert, der ihre Stärke bestimmt.
In einem zweiten Schritt wird das Netzwerk mit Informationen gefüttert. Die bestehenden Knoten sammeln Daten und erstellen unzählige neue. Stellt das Netzwerk fest, dass zwischen zwei Informationen ein bestimmter Zusammenhang besteht, stellt es eine Verbindung her. Je häufiger diese auftritt, desto höher wird ihr Wert. Nachdem das Netzwerk mit einer großen Menge an Daten gefüttert ist, hat es zahllose Verbindungen aufgebaut, die alle unterschiedlich stark miteinander verbunden sind. Je mehr Informationen dem System zur Verfügung stehen, desto feiner sind die Abstufungen zwischen den einzelnen Verbindungen und desto präziser ist am Ende auch das Ergebnis.
Moderne neuronale Netze sind natürlich wesentlich komplexer aufgebaut. So gibt es Möglichkeiten, zeitliche Parameter mit einzubeziehen, durch die wenig genutzte Verbindungen und Knoten wieder an Wert verlieren. Auch den Verbindungen selbst lassen sich verschiedene Parameter zuordnen, die eine noch feinere Unterscheidung möglich machen.
Direktes menschliches Feedback räumt einige der Hürden aus, vor denen selbstlernende Systeme sonst stehen. Auf diesem Wege stellt ChatGPT beispielsweise sicher, dass die Antworten sich wirklich wie in einem echten Dialog anhören.
Die Technik ist also schon ziemlich weit. Wie lässt sich das unglaubliche Potenzial, nun für das Online-Marketing nutzen?
Möglichkeiten und Grenzen von ChatGPT im Online-Marketing
Die erste Antwort liegt auf der Hand. Das Internet besteht zum größten Teil aus Text. Ein System, das diese Inhalte produziert, lässt sich an vielen Stellen einsetzen:
- Content: Sie wollen Bücher verkaufen? Lassen Sie ChatGPT eine Seite zum Thema Sachbücher, eine andere über Kinderbücher und eine weitere über Krimis verfassen. Innerhalb weniger Sekunden haben Sie die passenden Texte und können diese auf Ihrer Website einbinden. Grenzen: Es liegt in der Natur eines neuronalen Netzwerkes, dass seine Informationen von anderen Quellen stammen, Muster erkannt und nutzt werden, um Inhalte neu zusammenzustellen. Content wird so auf einem sprachlich hohen Niveau erstellt. Außergewöhnlich, überraschend oder inspirierend allerdings wird er nicht sein. Um sich von Mitbewerbern abzuheben, ist zumindest eine umfassende Überarbeitung des Rohmaterials notwendig.
- FAQ: Fragen und Antworten beherrscht ChatGPT gut. Und auch für Inspirationen ist dieses Tool einsetzbar. Lassen Sie sich von der KI unterstützen, um Ihren Kunden nützliche Informationen zu liefern. Grenzen: Die KI prüft nicht die sachliche Richtigkeit der bereitgestellten Informationen. Das ist auch nicht ihre Aufgabe. Sie stellt lediglich sicher, dass die Antworten gut lesbar sind und korrekt klingen. Hier liegt eine der größten Gefahren des Tools. Denn gerade das Internet bietet eine unendliche Flut von Informationen, deren Wahrheitsgehalt stark variiert. Prüfen Sie daher die fertigen Antworten sorgfältig.
- Title und Meta-Description: Wenn Ihnen mal die passenden Worte fehlen, ist ChatGPT zu Stelle, um weiter zu helfen. Grenzen: Auch hier gilt: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Denn ob Keywords enthalten sind und sie die richtige Länge haben, müssen Sie selbst testen.
- Pressemitteilungen: Für Unternehmensnachrichten wie Jubiläen oder Jahresabschlüsse liefert ChatGPT zuverlässig Vorlagen, die sich relativ leicht an die eigenen Bedürfnisse anpassen lassen. Grenzen: Schwieriger gestaltet es sich bei aktuellen technologischen, wirtschaftlichen oder politischen Entwicklungen. Hier ist das Tool (noch) nicht ausgereift.
- Code: Neben Prosa und Lyrik beherrscht es auch Code. Lassen Sie sich passende Snippets für Ihr Backend erstellen und erweitern Sie Ihre Website um zusätzliche Funktionen. Grenzen: Ohne grundlegendes Verständnis davon, wie Code funktioniert, ist es schwierig, die richtigen Zusammenhänge herzustellen. Und wenn etwas nicht so funktioniert, wie es sollte, dann kann nur ein Programmierer helfen.
- Gastartikel: Großes Potenzial hat das Tool im Linkaufbau. Denn die Texterstellung ist hier einer der größten Kostenfaktoren. Mit Hilfe von ChatGPT lassen sich Inhalte schnell und vor allem kostengünstig erstellen. Grenzen: Ähnlich wie bei der Texterstellung für die Website besteht auch hier die Gefahr, dass die Inhalte schnell beliebig werden und auf jeder Seite zum Thema sehr ähnlich klingen. Wer mit Fachwissen, einer dezidierten Meinung oder außergewöhnlichen Inhalten punkten will, ist auch hier in der Pflicht, Inhalte selbst zu erstellen und so lange daran zu feilen, bis sie optimal sind.
Ist ChatGPT die Zukunft der Suchmaschinen-Optimierung?
Das Tool wird die SEO-Welt massiv beeinflussen, so viel ist sicher. Automatische Textgenerierung gab es zwar schon vorher an verschiedenen Stellen im Netz. Der Einsatz entsprechender Programme lohnt sich jedoch nur im großen Stil. Wenn es nun eine Möglichkeit gibt, Inhalte mit deutlich geringerem Aufwand und in höherer Qualität zu produzieren, gibt es für die meisten Akteure im Netz keinen Grund mehr, darauf zu verzichten.
Die Software hat jedoch ihre Grenzen. Einige – wie die Probleme des Tools mit aktuellen Nachrichten und logischen Fehlern aufgrund falsch verknüpfter Parameter – werden in neueren Versionen behoben sein. Andere liegen in der Natur der Software. Denn der Algorithmus greift zum Lernen auf ein riesiges Textkorpus zurück. Häufig vorkommende Formulierungen, Phrasen und Topoi werden daher immer wieder reproduziert. Auch bei einem wirklich großen Datensatz, wie er bei ChatGPT verwendet wird, kommt es schnell zu Wiederholungen. Je häufiger die Software genutzt wird, desto mehr Parallelen finden sich.
Darin liegt jedoch auch eine Chance für Unternehmen, Marketingabteilungen und Agenturen, sich zu profilieren. Denn um aus der Masse herauszustechen, ist Kreativität gefragt. Vorhandene Inhalte sind zu überarbeiten und ständig zu verbessern. Sie müssen mehr Informationen bieten, unterhaltsamer und leichter zugänglich sein.
Wenn diese Herausforderung angenommen wird, erleben wir ein neues Internet, stoßen auf spannende und informative Inhalte und entdecken immer wieder etwas Neues. Oder wir erleben ein Netz, das in einer Flut stilistisch hochwertigem, aber inhaltlich beliebigem Content versinkt.